Andrea Camilleri

Der Kavalier der späten Stunde

Hörspiel
Lübbe Audio
Produktion: SWR 2004
ca. 110 Minuten
2 CDs; ISBN: 3-7857-1431-9; Euro 19,90

Sprecher:
Commissario Salvo Montalbano - Gerd Wameling
Erzähler - Horst Mendroch
Fazio - Andreas Pietschmann
Mimi Augello - Max Volkert Martens
Questore - Achim Hall
Mariastella Casentino - Brigitte Goebel
Livia - Frauke Poolmann
Michela - Verena von Behr
Guarnotta - Heinrich Giskes
Zito - Klaus Barner
In weiteren Rollen: Gerd Andresen, Nicole Boguth, Horst Hildebrand, Heinz Meier, Margarete Salbach, Heinz Schimmelpfennig, Tom Skoruppa, Andreas Szerda, Christa Ströbel und Bert Wesselmann

Inhalt:
Aktien statt Arancini, Spekulationen statt Spaghetti, Börse statt Balsamico auch im entlegenen Sizilien hofft man auf das schnelle große Geld. Und genau das verspricht Emanuele Gargano, der "Magier der Finanzen". Nachdem beinahe die gesamte Bevölkerung der Provinz Montelusa ihm ihre Ersparnisse anvertraut hat, ist er plötzlich spurlos verschwunden. Und ist damit auf einmal der meistgehasste Mann südlich von Neapel. Natürlich ist auch in Vigàta der Teufel los, und alles macht Jagd auf den hinterhältigen Dieb. Einzig Commissario Montalbano ahnt, dass mehr als ein simpler Betrug hinter der Sache steckt. Skandalöse Dinge kommen ans Tageslicht, weisen auf ein ganz anderes Verbrechen hin und darauf, dass der Täter gleichzeitig auch ein Opfer ist.


Kritik:

Mit „Der Kavalier der späten Stunde“ hat Camilleri seinen immerhin achten Montalbano-Krimi veröffentlicht. Wenn man es auf die Haupthandlung beschränkt, ist dies wohl der schwächste Fall des eigenwilligen Commissario, der mal wieder in einem Fall wildert, der gar nicht in seine Zuständigkeit fällt.
Es fällt auf, dass Camilleri den Charakter des Montalbano weiter entwickelt hat. Wer alle Krimis um den liebenswerten, eigentbrötlerischen sizilianischen Commissario kennt, wird feststellen, dass der achte Fall mit Abstand der lustigste ist und manchmal sogar ein wenig in Richtung Slapstick abdriftet: die Figuren sind unverwechselbar, haben ihre Kanten, wirken sehr lebendig und so real, dass man alle gut zu kennen meint. Und Montalbano selbst, der um einen geliebten Olivenbaum trauert, den ein Hausbesitzer einfach gefällt hat, wird sogar einmal regelrecht renitent und vandaliert durchs Gelände. Hoppla! So kannte man den ruhigen Ermittler bislang gar nicht.

Camilleri ist ein Autor, der es versteht, aus der Nebenhandlung seiner Romane so viel herauszukitzeln, dass man darüber schonmal für eine Zeit den Hauptstrang einfach vergisst – Montalbanos Katz-und-Maus-Spiel mit Dauerfreundin Livia, mit der es mehr schlecht als recht läuft (oder doch mehr recht als schlecht?), weil Mantalbano in ihrer Gegenwart immer den Stoffel rauskehrt, seine Kollegen, der ihm Knüppel zwischen die Beine werfende Questore, mit dem es dieses Mal mächtig Ärger gibt, dazu all die sauber gezeichneten sizilianischen Charaktere, die in den Fall verwickelt scheinen – ein mit dem Gewehr herumfuchtelnder 80-jähriger, eine theatralische Assistentin, eine verführerische Schöne – und als Krönung noch die geliebten Mahlzeiten des Commissario, die in seinem Leben einen großen Stellenwert einnehmen. Einen so großen, dass es einem als Hörer schonmal das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt, so dass man unweigerlich zum Kühlschrank aufbricht... ja, Camilleri wird immer besser.
Natürlich drängt sich einem der Vergleich mit den Büchern von Donna Leon geradezu auf, denn ein paar Parallelen lassen sich nicht verleugnen. Anders als bei Leon geht es ein bisschen nüchterner zu, die Romane wirken irgendwie „einfacher“ – obwohl es sehr viele sehr gute Beschreibungen gibt. Camilleris Geschichten sind aber keineswegs weniger gut, sie wirken einfach klarer und ruhiger.

Das Hörspiel glänzt mit tollen Sprechern, die ein Sizilien zum Leben erwecken, das man sich wirklich gut vorstellen kann. Gerd Wameling als Montalbano ist eine sehr gute Besetzung, auch die anderen Figuren sind klasse besetzt. Erzähler Horst Mendroch unterstreicht mit seiner ruhigen Art gut die herbstliche Stimmung, die sich durch das Hörspiel zieht.
Geräuschetechnisch ist die Produktion des SWR wirklich hervorragend, vor allem die Wasser-Szenen und die Autogeräusche lassen echte „Ohrkino“-Atmosphäre entstehen.
Ein besonderes Schmankerl ist auch die Musik von Henrick Albrecht, die toll ins Geschehen eingebettet ist – ein paar Anklänge an den „Paten“ meine ich auch herausgehört zu haben – das zaubert Sizilien ins Wohnzimmer.

Die zwei CDs sind mit 9 bzw. 10 Tracks gut ausgestattet, ein Booklet mit den Produktionsdaten und Sprecherliste liegt bei.


Fazit:

Trotz der eher lauen Hauptstory ein tolles Hörspiel mit viel Atmosphäre – und mit Sicherheit eine meiner Lieblingsfolgen um den eigenwilligen Commissario Mantalbano aus Sizilien. Hörtipp!